Unternehmensnachfolge - Realitäten versus Emotionen
Veränderungsresistenzen überwinden
Zurück zur Veränderungsresistenz. Es tun sich alle schwer, ob alt oder jung. Der Arbeitnehmer nach 40 Jahren Berufsleben, der Spitzensportler, der sich früh neu orientieren muss, angehende Eltern, die in neue Rollen schlüpfen müssen.
Meine Tochter kommt dieses Jahr aus der Schule und setzt sich gerade intensiv mit einem Welschlandjahr auseinander. Mit 15 Jahren das gewohnte Heim in Richtung eines anderen Sprach- und Kulturkreises zu verlassen, stellt ein Bruch des gewohnten dar. Gewohntes gibt Sicherheit. Je länger, desto stärker. Herz und Schmerz tun das seinige dazu.
Unternehmer - «Risk Taker» unserer Gesellschaft
Unternehmer sind die echten «Risk Taker» unserer Gesellschaft. Risiken nehmen, Verantwortung tragen, Opfer bringen, mehrheitlich allein zu entscheiden bilden den Nährstoff für Emotionen. Emotionen allein sind nicht das Problem, sondern der Umgang mit solchen. Weiter gilt: Je trüber die Zukunft, desto stärker akzentuieren sich die Hemmfaktoren. Wenn ich mit meiner Tochter nach Lausanne fahre, die Stadt und die Schule zeige und Gasteltern treffe, wird die Zukunft mit Inhalten gefüllt und dadurch greifbarer.
Prospektives Denken bei Unternehmern fördern
Wie kann prospektives Denken bei Unternehmern gefördert werden? In dem man sich mit deren Situation und möglichen Szenarien für die Zukunft auseinandersetzt. Bevor an Perspektive gebenden Optionen gearbeitet werden kann, muss das Hier und Jetzt verstanden sein. Es geht dabei nicht nur um das Unternehmen – nein, vielmehr auch um den Unternehmer selbst.
Unternehmensbewertung jenseits der reinen Arithmetik
Eine Unternehmensbewertung ist ein guter Ansatz, aber bitte nicht reine Arithmetik aus historischen Zahlen. Ein Käufer erwirbt Zukunft. Neben dem Markt gilt es weitere treibende Faktoren zu identifizieren. Kernkompetenzen, Produkt & Technologie oder Kundenstruktur – um nur einige zu nennen. Vielmehr ans Eigemachte geht es, wenn der Unternehmer mit tiefergreifenden Fragen konfrontiert wird. Diese könnten beispielsweise lauten:
- Was ist Ihnen wichtig in Bezug auf die anvisierte Lösung? Wer aus Ihrem persönlichen Umfeld ist über Ihre Gedanken eingeweiht?
- Wann möchten Sie diese Lösung umgesetzt haben? Ist dieser Zeitraum bis zur Übergabe oder dem Austritt aus dem Unternehmen berechnet?
- Möchten Sie überhaupt im Unternehmen verbleiben oder wird eine möglichst kurze Übergangszeit angestrebt?
- Falls ein rascher Ausstieg gesucht wird, was tun sie danach? Wie stellt sich Ihr Umfeld dazu?
- Sind Sie finanziell unabhängig oder hängen Ihre Pläne vom (möglichst hohen) Verkaufserlös ab?
Fit for Sale Quick Check - nicht nur quantitative Analysen
Mit diesen persönlichen, aber wichtigen Fragen kann man sich der Thematik nähern und die Emotionen ergründen. Es ist ein Herantasten an die Vorstellungen und Wünsche des Unternehmers. Kombiniert mit einer - sie erahnen es nicht rein quantitativen - Analyse des Unternehmens erhält man eine Entscheidungsgrundlage und erkennt Handlungsoptionen. Wir nennen dieses Instrument «Fit for Sale Quick Check». Aber Achtung: die persönliche Seite mit Wünschen was Zeit und Geld anbelangt korrespondiert nicht zwingend mit dem Fitnessstand des Unternehmens selbst. Ich treffe viele hart arbeitende Unternehmer, die zwar einen Unternehmerlohn, aber keine Erträge erwirtschaften. Blickt man etwas weiter in die Vergangenheit, erhält man das bestätigt, was man angesichts des Patrons spürt: Das Unternehmen ist bis vor einigen Jahren ordentlich gewachsen und hat schöne Gewinne ausgewiesen. Retour geht es erst seit zwei bis drei Jahren. Das drückt auf die Moral aber auch die Liquidität. Dieses Muster führt dann häufig zum Entscheid, die Firma so rasch wie möglich zu verkaufen.
Zukunftswert entspricht oft nicht dem Vergangenheitswert
Eigentlich der falsche Zeitpunkt. Aber in den Fällen, wo die Energie und Motivation nicht mehr in ausreichender Form vorhanden – oder gesundheitliche Aspekte mitspielen – trotzdem richtig. Diese Situation erfordert einen offenen Dialog mit dem Inhaber. Vielleicht lohnt es sich, mit Unterstützung von aussen und gezielten, entlastenden Massnahmen einen Anlauf zu nehmen. Fehlt die Zeit und Bereitschaft dafür, muss gemeinsam die Kaufpreiserwartung diskutiert werden. Der Zukunftswert deckt sich hier in der Regel nicht mit dem Vergangenheitswert. Ein schwieriger, aber wichtiger Punkt.
Dem Unternehmer das Blaue vom Himmel zu beschwören, nur um an ein Mandat zu gelangen, widerspricht unserer Philosophie. Unternehmer schätzen diese faire und direkte Haltung. Der richtige Zeitpunkt aus Sicht des Unternehmers zu finden, bleibt anspruchsvoll. Die Gründe des Zuwartens oder Verdrängens können vielschichtiger liegen, als hier dargelegt. Manches muss länger reifen. Das ist legitim, der Inhaber entscheidet an erster Stelle.
Fazit
Mein vielleicht etwas ironisches Fazit: Im besten Fall harzt der Betrieb derzeit etwas. Die neuste Produkteentwicklung muss noch abgeschlossen werden, verschiedene Grossaufträge langjähriger Kunden sind in Aussicht. Gute Gründe also, sich diesen Herausforderungen zu stellen und weiter am «Karren» zu ziehen. Im schlechtesten Fall ist das Unternehmen topfit, weist eine hohe Marktattraktivität aus und kann rasch zu einem guten Preis verkauft werden. Es gilt zu vermeiden, dass nur der Käufer glücklich und zufrieden darüber wäre.