Dividendenpapiere als Obligationenersatz?


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„Die Nestlé-Aktie ist die beste Anleihe der Welt“, verkündete vor einigen Jahren die NZZ. Zwar würden die Aktien des Nahrungsmittelherstellers nicht wie Anleihen an einem gegebenen Datum zum Nennwert zurückgezahlt, aber sonst seien die Ähnlichkeiten gross.
Die Nestlé-Aktien schwankten nicht mehr als manche Anleihe. Seit 60 Jahren seien die Dividenden nicht gekürzt, und in den vergangenen 24 Jahren stets erhöht worden. Faktisch ein sicherer Zahlungsstrom, der sich über die Zeit auch noch erhöht, so die implizite Nachricht.
Auch wenn die Aussage im unteren Teil des Artikels noch relativiert wird: Die NZZ erweckt den Eindruck, „defensive“ Aktien mit historisch stabilen Dividenden seien eine deutlich rentablere, aber kaum riskantere Alternative zu Obligationen.
Besonders in Zeiten niedriger Zinsen werden dividendenstarke Aktien ertragsstabiler Firmen von vielen Banken und Beratern gerne anstelle tief verzinslicher Anleihen angepriesen. Was ist davon zu halten?
Unangenehm überraschende Entwicklung
Der Kurs der Nestlé Aktien ist seit der Publikation des zitierten NZZ Artikels 2019 von ca. Fr. 100.- unter Fr. 73.- gefallen. Für „die beste Anleihe der Welt“ ist das eine unangenehm überraschende Entwicklung. Der Kursverlust übertrifft die seither angefallenen Dividenden bei weitem. Natürlich ist es möglich, dass sich die Aktien von Nestlé bald wieder erholen. Sicher ist das keinesfalls.
Höhere Renditen kommen mit erhöhten Risiken
Macht ein Unternehmen Verluste, gehen diese zu Lasten des Aktionärs. Hält die schlechte Geschäftslage an, werden Dividenden gestrichen.
Erst wenn die Verluste das geamte Eigenkapital übersteigen und die Firma bankrott anmeldet, erst wenn die Aktionäre alles verloren haben, müssen die Obligationäre um die vollständige Rückzahlung ihrer Anleihe fürchten. Das Renditepotential der Aktien geht mit enstprechend höhreren Risiken einher.
Wer Aktien als gleichwertige Alternative zu Anleihen empfiehlt, ignoriert das wichtigste Finanzmarktgesetz: Höhere Renditen kommen mit erhöhten Risiken oder tieferen Kosten daher. Und um Kosten geht es hier nicht.
Dotcom Blase 2000, UBS 2008/9, Credit Suisse 2024
Dass auch scheinbar stabile Unternehmen urplötzlich in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, erleben wir immmer wieder.
Erinnern wir uns etwa an das Ende der „Dotcom-Blase“ zu Beginn des Jahrtausends, als gestandene Firmen wie ABB, die Swisslife, Zurich Versicherungen oder Credit Suisse unvermittelt am Abgrund standen.
Die Aktien dieser Konzerne verloren den grössten Teil ihres Wertes, Dividenden wurden ausgesetzt. Denken wir an die Finanzkrise 2008/2009, als die UBS wie viele der grössten, ertragreichsten und „stabilsten“ Banken der Welt vom Staat gerettet werden mussten und ihre Aktienkurse ins Bodenlose fielen.
Beim Untergang der einst als sicher gehandelten, dividendenstarken Credit Suisse verloren die Aktionäre paraktisch alles, die Obligationäre nichts.
Was sagt der Teufel?
Was sagt der Teufel zu lukrativen Dividendenströmen? „DIVIDEND YIELD, n. A company’s annual dividend divided by its current share price. ‚You buy a cow for its milk and a stock for its yield‘, says an old Wall Street proverb. But when a company gets into financial trouble and has to cut its dividend to hoard cash for its own survival, the yield will shrink or disappear. Investors who buy a stock only for its yield may suddenly find themselves owning a cow that gives no milk and is too scrawny to butcher for the meat.“
Felix Enderle verantwortet das Asset Management und das Produkt des Partisan Strategie Fonds. Er studiere Volkswirtschaftslehre an der Hochschule St.Gallen und weisst grosse Erfahrung in den Bereichen Fondsmanagement, strategische Asset Allocation und Risk Management. Zuletzt war er Leiter des Fondsmanagements in der Vermögensverwaltung (Wealth Management ) der UBS AG.
