Digitale Reform der GmbH soll Gründungen vereinfachen
Schweizer Innovationsruhm trotz Digitalisierungspleite
In der jüngsten Ausgabe des Innovations-Index verleiht das Medienunternehmen Bloomberg der Schweiz den dritten Rang. Andere Untersuchungen beurteilen die Schweiz im Innovations-Ranking sogar als Siegerin (siehe hier). Der momentane Stand der Digitalisierung in der Schweiz zeichnet hingegen ein anderes Bild. Denn Schweizer Verwaltungen schneiden im internationalen Vergleich beim Thema Digitalisierung überdurchschnittlich schlecht ab.
Abbildung: Vergleich Digitalisierungsgrad der Verwaltungen (Quelle: avenir suisse «analyse» Eine «digitale Mini-GmbH» für die Schweiz, Seite 3)
Dieser Rückstand der staatlichen Bürokratie beeinträchtigt wiederum die Rahmenbedingungen für Unternehmen. So erschweren altmodische Vorgaben den Aufwand einer Gründung. Als Folge weist das Gründen in der Schweiz eine verhältnismässig geringe Attraktivität auf.
Der Ein- und Austritt von Firmen generiert heute jährlich 70'000 Behördengänge und Kosten im hohen zweistelligen Millionenbereich. Diese Ausgaben könnten durch konsequente Prozessdigitalisierung massiv verringert werden.
Abbildung: Selbstverstärkend --> "Mit dem Gläubigerschutz werden hohe Gründungsanforderungen legitimiert. Das führt zu komplexen Prozessen, die eine Digitalisierung der Behördenschnittstellen erschweren. Das Verharren im analogen Zeitalter verhindert wiederum die Schaffung von mehr Transparenz – worunter der Gläubigerschutz leidet" Quelle: avenir suisse "analyse" Seite 4
Die digitale Mini-GmbH als Lösung
Wie könnte die Digitalisierung behördlicher Prozesse vorangetrieben und gleichzeitig das Gründen erleichtert werden? Avenir Suisse schlägt vor, eine digitale Mini-GmbH als neue Gesellschaftsform einzuführen.
Generell orientiert sich diese neue Rechtsform an den Grundzügen der traditionellen GmbH. Doch die digitale Mini-GmbH unterscheidet sich anhand drei zentraler formaler Vereinfachungen von der derzeitigen GmbH.
1. Kein Gründungskapital, dafür erhöhte Transparenz
Als erste Vereinfachung sollen die Vorschriften zum Gründungskapital abgeschafft werden. Diese Änderung soll im Wesentlichen dazu führen, dass die finanziellen Hürden für Gründende gesenkt werden.
Das vorgeschriebene Gründungskapital sollte eigentlich eine Absicherung für die Gläubiger darstellen. Die Effektivität dieser Massnahme ist in der Praxis jedoch äusserst bestritten. Denn auch wenn das Gründungskapital von 20’000 Franken anfangs vorhanden ist, und somit als Gläubigerschutz agiert, kann das Unternehmen das ausgewiesene Kapital innerhalb kürzester Zeit wieder aufbrauchen. Effektiver Gläubigerschutz ist durch das obligatorische Gründungskapital also nicht gegeben.
Avenir Suisse zeigt auf, dass es keine empirische Beweise dafür gibt, dass ein Mindestkapital tatsächlich zu höherem Gläubigerschutz und weniger Konkursverfahren führt.
Möchte man den Gläubigerschutz verbessern, so sollte man sich stattdessen auf die Erhöhung der Transparenz fokussieren.
Denn nur so sei es möglich, die Informationsasymmetrie zwischen Gläubiger und Unternehmen langfristig zu minimieren.
So kam es laut der Konkursstatistik des BFS in den Jahren 2010 bis 2019 zu einem jährlichen Verlust von 2.2 Milliarden Franken, der durch Konkursverfahren verursacht wurde. Der Gläubigerverband Creditreform schätzt die jährliche Summe sogar auf 11 Milliarden.
Nun könnte man zwar argumentieren, dass die Verluste ohne Mindestkapital der Gründenden noch höher ausfallen könnten als derzeit der Fall ist. Avenir Suisse erklärt jedoch, dass sogar Gläubiger sich nicht auf das Mindestkapital als Schutz verlassen. Viel öfter greifen sie auf andere Mittel zurück, zum Beispiel auf spezialisierte Dienstleister, um sich abzusichern.
Auch im internationalen Vergleich macht sich die Vorgabe des Mindestkapitals schlecht. Als Nachbarland der Schweiz mit einer ähnlichen Rechtstradition führte Deutschland 2008 die Unternehmungsgesellschaft (UG) ein, welche lediglich ein Mindestkapital von einem Euro erfordert. Auch andere europäische Länder haben sich in den letzten Jahren für eine solche Vereinfachung entschieden.
2. Reduzierter Papierkrieg durch Verzicht auf Beurkundung
Als zweiter zentrale Unterschied zur traditionellen GmbH soll die digitale Mini-GmbH keine öffentliche Beurkundung verlangen. Dieser Schritt ist besonders im Hinblick auf das Digitalisierungsziel elementar, verursacht doch diese Anforderung im Modell der regulären GmbH einen unverhältnismässig grossen administrativen Aufwand. Die Notwendigkeit der öffentlichen Beurkundung wird damit begründet, vor Unbedachtheit zu schützen, einen Beleg der Gründung zu liefern sowie eine Verfahrenskontrolle zu ermöglichen. In der Praxis können diese Zwecke jedoch über andere Mittel effektiver erreicht werden. Ausserdem würde durch die Abschaffung des Mindestkapitals die Notwendigkeit der öffentlichen Beurkundung zusätzlich in Frage gestellt.
3. Rein digitale Gründung als Zünder für umfassende Digitalisierung
Als drittes Alleinstellungsmerkmal sieht die digitale Mini-GmbH vor, dass die gesamte Korrespondenz mit den Behörden auf digitalem Weg stattfinden soll. Wie Avenir Suisse in ihrer Studie beschreibt, existieren bereits zahlreiche effiziente Wege, um diese Anforderung umsetzen zu können. Diese Änderung soll den bürokratischen Aufwand sowie die Kosten, die mit diesem in Verbindung stehen, minimieren - und das für beide Seiten. Ausserdem wird durch die konsequente digitale Natur der Prozesse die Transparenz für alle erhöht. Als Ergebnis würde auch die Sicherheit im Unternehmenswesen ansteigen.
Gründungshürden für Startups senken
Die neue Gesellschaftsform der digitalen Mini-GmbH soll speziell neuen Gründenden und Startups einen Nutzen bieten. Denn durch die Abschaffung des Mindestkapitals würde eine einschränkende finanzielle Hürde wegfallen. Der Gründungsprozess würde dadurch für Neueinsteiger massiv erleichtern werden. Durch die Verringerung des administrativen Aufwandes, die sich durch den Wegfall der öffentlichen Beurkundung und des digitalen Einreichens ergibt, sparen sich Gründende ausserdem Zeit, Geld und Nerven. So könne man die Schweiz als Gründungsstandort vorteilhafter positionieren.
Anhand dieser drei Reformen, die die digitale Mini-GmbH mit sich bringen würde, liesse sich die Schweiz als Gründungsstandort attraktiver gestalten.
Ausserdem würden veraltete Bürokratie-Praktiken abgeschafft und im gleichen Zug die digitale Modernisierung im Verwaltungsapparat vorangetrieben werden. Die Einführung der Mini-GmbH trägt folglich grosses Potential für alle Beteiligten und die Zukunft der innovativen Unternehmenslandschaft Schweiz in sich.
zur avenir suisse «analyse» Eine «digitale Mini-GmbH» für die Schweiz