Des Spielers Irrtum und andere Herausforderungen für Anleger
1. Gambler’s Fallacy – Des Spielers Irrtum
Menschen schätzen die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen oft falsch ab. Des „Gamblers Fallacy“ ist die Annahme des Spielers, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit eines zufälligen Ereignisses steigt, wenn es über längere Zeit nicht eingetreten ist. Kommt im Casino also eine lange Rot-Serie, glauben viele Menschen, dass die Wahrscheinlichkeit für Schwarz damit steigt. Das ist falsch. Der Lauf der Kugel wird niemals von vergangenen Ereignissen beeinflusst. Um solche Fehleinschätzungen zu vermeiden, kann man sich folgenden Satz einprägen: „Der Zufall hat kein Gedächtnis.“ 1*
Wir wollen Ihnen nun natürlich nicht raten, bei der Kapitalanlage alles auf eine Karte zu setzen und dem Zufall zu huldigen. Die „Gamblers Fallacy“ ist vielmehr ein Beweis dafür, wie wichtig für den Anleger eine planmässige Diversifikation im Portfolio beim Geld anlegen ist, um den Einfluss des Zufalls zu begrenzen.
2. Sunk Cost Fallacy – Vergangene Kosten lieber vergessen
Als „sunk costs“ werden in diesem Kontext bereits angefallene und nicht wieder einbringbare Kosten oder Zeitaufwand im Vorfeld einer Entscheidung bezeichnet. Der Irrtum besteht darin, diese Kosten bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Vielen Menschen fällt es schwer, ein Vorhaben aufzugeben, wenn sie bereits eine gewisse Menge Geld oder Zeit investiert haben.
Wenn man beispielsweise ein Ticket für ein Open-Air Konzert hat, es am Veranstaltungstag aber regnet und das Ticket unverkäuflich ist, kann man es als „sunk costs“ oder verlorenes Geld betrachten. Ob man das Konzert nun trotzdem besucht oder nicht, sollte man nicht vom Ticketpreis abhängig machen, der in jedem Fall verloren ist. Genau das tun aber viele Menschen und besuchen das Konzert, weil sie ja schon das Ticket gekauft haben. Diese Überlegung ist falsch, denn die Kosten können in keinem Fall mehr rückgängig gemacht werden. Man sollte sich, wenn man das Konzert am fraglichen Tag nicht besuchen will, auch so entscheiden.
Für unser Geschäft ist es sehr wichtig, nicht diesem Irrtum zu verfallen. Zweifel an Kreditprojekten entstehen erst während der Evaluation. Dann wäre es verkehrt, es nur wegen der schon investierten Zeit weiterzuverfolgen.
3. Verlustaversion
Das Phänomen der Verlustaversion drückt vereinfacht gesagt aus, dass Anleger lieber den Verlust von fünf Franken vermeiden, als fünf Franken zu gewinnen. Die Abnahme der Zufriedenheit ist beim Verlust von fünf Franken grösser als die Zunahme an Zufriedenheit beim Gewinn von fünf Franken. Diese Reaktion ist irrational, was folgendes Experiment zeigt: Im ersten Teil dürfen die Versuchspersonen zwischen zwei Optionen wählen: Entweder eine garantierte Zahlung von 500 Franken oder eine jeweils 50-prozentige Chance auf null oder 1000 Franken. Die meisten Teilnehmenden verhielten sich risikoavers und wählten die sichere Zahlung von 500 Franken.
Doch im zweiten Teil des Experiments verhielten sich die Teilnehmenden nicht mehr als „Homo oeconomicus“: Hier erhielten sie 1000 Franken Startkapital und mussten sich wieder zwischen zwei Optionen entscheiden: Erstens den sicheren Verlust von 500 Franken oder die 50-prozentige Wahrscheinlichkeit null oder 1000 Franken zu verlieren. Jetzt war die Mehrheit risikofreudig und wählte die zweite Option, obwohl es unter dem Strich um die gleichen Beträge ging. Der einzige Unterschied war der Referenzpunkt bzw. der Betrag, mit welchem die Teilnehmer starteten. Diese Ergebnisse widersprechen dem Verhaltensmodell des „Homo oeconomicus“, weil er in beiden Fällen das gleiche Risikoverhalten zeigen müsste. Die Teilnehmer aber zogen die Chance auf die Verlustvermeidung in der zweiten Option vor, was das Phänomen der Verlustaversion belegt.
Auch unter unseren Anleger sind sicher risikoscheue Personen. Allerdings korreliert bei unseren KMU-Krediten das eingegangene Anlagerisiko mit den Ertragschancen aus dem Kreditzins. Ein höheres Kreditrisiko zieht einen erhöhten Zinssatz nach sich. Das kann dazu führen, dass auch risikoaverse Individuen ein Portfolio mit mehr oder weniger riskanten Anlagen führen.
Fazit
Die Existenz dieser Anomalien stellt die herrschenden ökonomischen Grundannahmen nicht total infrage. Sie geben jedoch Hinweise, wo die klassischen Modelle angepasst werden sollten, um verhaltensökonomische Abweichungen bei Individuen noch besser erklären zu können.
Literaturhinweise:
1* Peter Ayton, Ilan Fischer: The hot hand fallacy and the gambler’s fallacy: Two faces of subjective randomness?, 2004
2* Hal R. Arkes, Peter Ayton: The sunk cost and Concorde effects: Are humans less rational than lower animals?, 1999
3* Amos Tversky, Daniel Kahneman: Loss aversion in riskless choice: a reference-dependent model, 1991