Das Taschenmesser für die Schiene: Die Trybrid-Lok der LokPool AG


Lokomotiven sind mehr als nur Maschinen. Sie sind Symbole für Kraft, Fortschritt und wecken bei vielen von uns Emotionen. Umso spannender ist es, wenn ein Schweizer KMU die Initiative ergreift, um diese Fahrzeuge nicht nur zu erhalten, sondern sie für die Zukunft neu zu erfinden. Genau das tut die LokPool AG mit ihrem wegweisenden Trybrid-Modernisierungsprojekt.
Wir hatten die Gelegenheit, mit Markus Bertram, dem delegierten Geschäftsführer von LokPool und einem erfahrenen Veteranen der europäischen Bahnindustrie, über dieses faszinierende Vorhaben zu sprechen. Ein Gespräch über clevere Synergien, technische Meilensteine und die Zukunft des Schienenverkehrs.
Die LokPool AG hat eine Finanzierungskampagne (zwei Tranchen) auf der swisspeers Plattform lanciert, um die nächste Etappe ihres Flotten-Ausbaus zu finanzieren. Das Kapital stärkt die Finanzierungsbasis für die Anschaffung von fünf neuen Trybrid-Lokomotiven. |
Über zukunftsfähige Antriebstechnik und clevere Geschäftsmodelle
Alwin Meyer: Herr Bertram, können Sie uns kurz Ihr Unternehmen und Ihre Rolle darin vorstellen?
Markus Bertram: Gerne. Mein Weg in der Bahnindustrie ist vielfältig – nach Stationen bei Branchengrössen wie Bombardier und SBB Cargo war ich lange international tätig. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz kam dann über die TR TransRail die Mandatierung als Delegierter Geschäftsführer für die LokPool AG.
LokPool ist eine junge Firma mit einem spannenden Modell: Sie wurde von neun grossen Schweizer Gleisbau- und Infrastrukturfirmen gegründet. Wir kaufen, modernisieren und vermieten Lokomotiven direkt u.a. an diese Aktionäre.
Meine Rolle ist es, das Ganze operativ zu leiten, wobei mir zugutekommt, dass ich den Markt aus beiden Blickwinkeln kenne: dem der Industrie und dem der Betreiber.
Alwin Meyer: Sie haben LokPool als Mietpool gegründet, in dem Ihre Aktionäre zugleich Kunden sind – welches Problem löst dieses Modell im täglichen Bahnbetrieb?
Markus Bertram: Das ist der Kern unseres Geschäftsmodells. Unsere Aktionäre sind zugleich unsere Hauptkunden.
Anstatt dass jede Firma eigene Loks und die aufwendigen Sicherheitsbescheinigungen beantragen und unterhalten muss, bündeln wir die Ressourcen. Die Firmen erhalten von uns eine schlüsselfertige Lösung mit standardisierten Fahrzeugen. Das spart Zeit, Kosten und administrativen Aufwand.
Alwin Meyer: Warum ist die Einheitlichkeit des Pools aus Ihrer Sicht so entscheidend?
Markus Bertram: Ein Lokführer muss für jeden Loktyp separat ausgebildet sein. Das sind intensive Vorschriften. Mit unserem Pool von zwölf identischen Loks entfällt dieser Aufwand. Fällt eine Lok aus, tauschen wir sie gegen eine identische aus. Der Lokführer muss sich nicht umgewöhnen, keine zusätzliche Ausbildung, keine neuen Prüfungen. Das ist ein entscheidender Effizienzvorteil.
Vom soliden Pool zur technologischen Pionierleistung
Alwin Meyer: Im aktuellen Projekt bauen Sie fünf dieser Loks zu Trybrid-Fahrzeugen um; was genau passiert dabei technisch, und was kann eine solche Lok, was herkömmliche nicht können?
Markus Bertram: Das ist unser interessantestes Projekt. "Trybrid" bedeutet, die Lok hat drei Antriebssysteme: einen Dieselmotor, einen Stromabnehmer für die Oberleitung und eine leistungsstarke Batterie. Je nach Einsatzsituation kann sie zwischen diesen drei Modi wechseln. Und sogar kombiniert werden für mehr Leistung (z.B. Batterie und Dieselmotor). Nach dem Umbau hat die Lok auch grundsätzlich ca. 35% mehr Leistung.
Stellen Sie sich einen Einsatz vor: Die Lok fährt elektrisch über die Hauptstrecke zum Umschlagsterminal und muss dann in eine Halle einfahren, wo Diesel wegen der Arbeitsschutzbestimmungen nicht mehr erlaubt ist. Dann wechselt sie auf reinen Batteriebetrieb. Das Resultat: null Emissionen und praktisch kein Lärm. Das ist nicht nur für Arbeiten in Hallen entscheidend, sondern auch für Umschlagterminals, die in der Nähe von Wohnhäusern liegen. Dort gibt es für Dieselloks oft eine Nachtsperre – mit der Batterie hingegen bleibt die Zustellung auch nachts möglich.
Diese Kombination aus drei vollwertigen Antrieben ist in dieser Form ziemlich einmalig in Europa.
Alwin Meyer: Also im Grunde ein Schweizer Taschenmesser auf Schienen?
Markus Bertram: Ganz genau. Maximale Flexibilität für jeden denkbaren Fall.
Video: Reportage über die Trybrid-Lokomotive Aeam 841
Alwin Meyer: Sie sagen, das sei 'einmalig in Europa'. Können Sie das konkretisieren und die Vorteile speziell für den Schweizer Markt erläutern?
Markus Bertram: Das ist tatsächlich so. Die Schweiz ist bahntechnisch kein Standardland. Unsere Lok ist mit 15 Metern Länge kompakter als die internationalen Modelle, ein Vorteil auf den kurzen, engen Rangiergleisen. Sie ist ein echtes Schweizer Produkt, das die hiesigen Eigenheiten von Beginn an berücksichtigt, anstatt sie als teure Sonderoptionen in Standardloks zu integrieren.
Ein gutes Beispiel ist der Linksverkehr auf unseren Schienen – die Schweiz ist da sozusagen das 'England der Bahn'. Das bedingt, dass der Führerstand für eine optimale Sicht auf der linken Seite sein muss. Was bei uns Standard ist, wäre für eine europäische Standardlok bereits eine Sonderoption. Unsere Lok ist eben kein 'Ab der Stange'-Produkt.
Unsere Lok ist kein 'Ab der Stange'-Produkt. Sie ist die Antwort auf die Eigenheiten des Schweizer Marktes.
Bild: Alter Stahl, neue Vision: Das Upcycling-Projekt sieht den Umbau vor von dieselbetriebenen AM 841 Loks (links) auf die innovativen AEAM 841 Loks (rechts) vor. Das zusätzliche «e» steht für den elektrischen Antrieb. Die Nummer "841" bezieht sich auf die Baureihe der Am 841, wie sie 1996 zu 40 Stück beim damaligen Hersteller durch die SBB beschafft wurde.
Finanzierung und Nachhaltigkeit: Zwei Seiten einer Medaille
Alwin Meyer: Kommen wir auf den Grund unseres Gesprächs zu sprechen: das Kreditprojekt Ihres Unternehmens auf der swisspeers-Plattform. Können Sie unseren Anlegern erläutern, warum LokPool für dieses innovative Projekt Kapital sucht?
Markus Bertram: Der Ausbau unserer Flotte mit den innovativen Hybrid-Lokomotiven ist eine grosse Investition. Bei einem Projekt in dieser Grössenordnung, das über 20 Millionen Franken umfasst, ist die Finanzierung eine Herausforderung.
Um die Flexibilität und Unabhängigkeit unseres Unternehmens zu wahren, haben wir uns entschieden, verschiedene Finanzierungswege zu prüfen. Wir haben uns letztlich für eine Finanzierung über swisspeers entschieden, um unsere Investitionsziele schnell und effizient umzusetzen.
Alwin Meyer: Ihr Vorhaben hat auch einen positiven Impact im Bereich der Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO. Sie leisten einen positiven Beitrag zu den UN-Zielen SDG 12, 'Verantwortungsvoller Konsum', und SDG 13, 'Massnahmen zum Klimaschutz'. Können Sie erläutern, wie Ihr Projekt auf diese beiden Ziele einzahlt?
Markus Bertram: Diese Bewertung bestätigt unseren Ansatz. Der Beitrag ist zweifach.
Einerseits der Klimaschutz: Wo früher alles mit Diesel gemacht wurde, können wir jetzt elektrisch oder per Batterie fahren.
Andererseits, und das ist fast noch cleverer, das Upcycling: Statt die Lokomotiven zu verschrotten, geben wir ihnen ein zweites Leben für weitere Jahrzehnte.
Alwin Meyer: Und wie kamen Sie bei diesem Finanzierungsbedarf auf swisspeers als Partner?
Markus Bertram: Ein Partner aus unserem Netzwerk bei der Firma Müller Technologie hat den Namen swisspeers erwähnt, als klassische Bankwege für diesen spezifischen Bedarf nicht passend waren. Der pragmatische Ansatz und die Möglichkeit, die Lücke mit einem Firmenkredit zu schliessen, war für uns die ideale Lösung.
Bild: 28 Tonnen Stahl werden wiederverwertet. Das Chassis und die Drehgestellrahmen wurden überarbeitet und an die neuen Anforderungen angepasst. Mit der umfangreichen Modernisierung der Am 841 zur Aeam 841 kann die Lokomotive weitere 25 Jahre betrieben werden.
Ein Blick in die Zukunft: Grosses Potenzial am Horizont
Alwin Meyer: Welche Meilensteine stehen bis zur Inbetriebnahme noch an, und wie schätzen Sie das Marktpotenzial ein?
Markus Bertram: Die erste Lok ist bereits in der Testphase. Wir rechnen mit der definitiven Zulassung Mitte 2026 und wollen dann ab dem 1. Juli 2026 mit den ersten drei Loks operativ starten.
Was das Potenzial angeht: Ich war selbst erstaunt über die enorme Nachfrage. Unsere fünf Loks sind quasi schon vermietet, bevor sie überhaupt zugelassen sind. Die Nachfrage von grossen Akteuren im Schweizer Bahnsektor allein ist so erheblich, dass sich daraus für uns ein Folgepotenzial in einer völlig neuen Grössenordnung ergibt. Das stimmt uns sehr zuversichtlich.
Firmenprofil Name: LokPool AG |
