Wie fit sind die Schweizer KMU?
Gemeinsam mit der Exportförderungsplattform swiss export hat die Unternehmensberatung Kearney die Studie «Wo steht der Schweizer Mittelstand?» bei Schweizer KMU zum vierten Mal durchgeführt. In der Selbsteinschätzung, wie es im Untertitel der Studie heisst, haben sich dieses Frühjahr 129 kleinere und mittelgrosse Schweizer Betriebe insgesamt gute Noten erteilt. Kein Wunder, hat ein Grossteil von ihnen doch in den letzten zwölf Monaten die Umsätze nicht nur halten, sondern steigern können. Darauf fusst auch ihr Optimismus, dass die Pandemie lediglich kurz- bis mittelfristig Folgen haben wird.
Abbildung: Mittelstandstudie 2021, Seite 5
Diese gute Form trotz zahlreichen Hindernissen verweist auf eine robuste Wettbewerbsfähigkeit unserer KMU. Die Studie ist zwar selbst dann nicht repräsentativ, wenn nur die rund 60'000 kleinen und mittelgrossen Unternehmen gezählt werden, die mehr als 10 Mitarbeitende beschäftigen. Trotzdem gibt sie einen recht guten Einblick in die gegenwärtige Stimmung in der – primär exportorientierten – KMU-Wirtschaft Schweiz.
Die COVID-19-Pandemie (bislang) recht gut überstanden
Als Résumé kann festgehalten werden: Krise noch nicht ausgestanden – Turbulenzen gut überstanden. Knapp zwei Drittel der befragten KMU beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut. Gar drei Viertel sehen optimistisch in die nähere Zukunft. Knapp 70 Prozent prognostizieren, dass ihre Umsätze in den nächsten zwölf Monaten steigen, und 15 Prozent, dass sie zumindest stabil bleiben.
Abbildung: Mittelstandstudie 2021, Seite 9
Was die Rendite betrifft, sind die Unternehmen nicht viel zurückhaltender. Drei Viertel von ihnen rechnen mit steigenden oder gleich bleibenden Erträgen – nicht nur kurz-, sondern auch mittelfristig. Mehr als die Hälfte der Befragten erachten denn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die nächsten zwölf Monate als gut oder sehr gut. Das entspricht selbst gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 einem deutlichen Stimmungsaufschwung. Die Umfrage wurde allerdings zwischen April und Mai 2021 durchgeführt. Der Abbruch der bilateralen Verhandlungen mit der EU durch den Bundesrat ist deshalb in der Studie nicht berücksichtigt. Heute würde die Einschätzung einiger, vor allem stark exportlastiger Unternehmen wohl nicht mehr ganz so positiv ausfallen.
Von Kurzarbeit bis Kredit im Kampf gegen die Krise
Die COVID-19-Pandemie erachten die befragten KMU zum grossen Teil mehr oder minder als ausgestanden. Nur noch 35 Prozent geben an, stark oder sehr stark unter der Gesundheitskrise zu leiden. Und nur gerade ein Viertel rechnet damit, dass die Folgen der Pandemie noch länger als zwölf Monate die Prosperität ihres Unternehmens einschränken werden. Dass die Schweizer KMU die Coronakrise so gut bewältigen haben, ist wohl nicht zuletzt auf die Massnahmen zurückzuführen, die die meisten Unternehmen getroffen haben, um die Krise zu bekämpfen. Angefangen von Kurzarbeit über Einstellungs- und Investitionsstops bis zu COVID-19-Krediten und – wenigen – Entlassungen.
Abbildung: Mittelstandstudie 2021, Seite 11
Unabhängig davon zählen die KMU globale Gesundheitskrisen zu den wichtigsten Faktoren, die ihre wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen können. Noch wichtiger sind in ihren Augen einzig die Themen «Digitalisierung und technologische Entwicklungen» sowie «Cyber- und Datensicherheit». Knapp hinter den Gesundheitsrisiken werden unklare politische Rahmenbedingungen, die Disruption der globalen Wertschöpfungsketten sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen als Herausforderungen genannt. Nationalismus/Protektionismus, der eingeschränkte Zugang zu natürlichen Ressourcen sowie der Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber Politik und Medien werden als weitere Bedrohungen wahrgenommen.
Export zurückgegangen
Weniger gut, jedoch kaum erstaunlich, schnitten die befragten KMU 2020 im Export ab. Rund zwei Drittel der Unternehmen musste einen Umsatzrückgang hinnehmen, bei fast einem Viertel sogar um mehr als 20 Prozent. Entsprechend rückläufig war auch die Nachfrage nach Exportfinanzierungen. Anderseits haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr KMU mit Bankgarantien abgesichert, während Dokumentargeschäfte und Kredite der Schweizerischen Exportrisikoversicherung SERV weniger gefragt waren. Für die Finanzierung ihrer Exporte nutzten bislang drei Viertel der Befragten Eigenmittel und werden das mehrheitlich weiterhin tun. Daneben wurden Betriebs-, Fabrikations-, Lieferanten- und Käuferkredite zur Exportfinanzierung genutzt. Kredite, die übrigens auch über swisspeers beantragt werden können.
Nach wie vor gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Mit der Pandemiebekämpfung und den zähen Verhandlungen der Schweiz mit der EU hat die Politik in den vergangenen Jahren massiv Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung genommen. Vor diesem Hintergrund erwarten die befragten Unternehmen vom Bundesrat nun konkrete Zeichen und Initiativen. Weitaus am häufigsten (57 %) genannt wurde in diesem Zusammenhang eine Normalisierung der Beziehungen mit der EU, gefolgt vom Abbau bürokratischer Hemmnisse (41 %), von Investitionen in die digitale Infrastruktur (29 %) sowie vom Abschluss zusätzlicher Freihandelsabkommen (26 %).
Abbildung: Mittelstandstudie 2021, Seite 18
Gegenüber der Vorjahresstudie zurückgegangen sind die Forderung nach attraktiveren Rahmenbedingungen und einer aktiven Standortförderung. Die Studienautoren vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass die Schweiz ihren Unternehmen im internationalen Vergleich und gerade in dieser krisenbehafteten Zeit nach wie vor gute Rahmenbedingungen bietet.
Eine gute Unternehmenskultur wird immer wichtiger
Neben den wirtschaftlichen und konjunkturellen Herausforderungen hat die aktuelle Krise von den KMU verlangt, ihre Unternehmenskultur zu überprüfen und anzupassen. Stichworte dazu sind
- zunehmende Digitalisierung,
- neue Arbeitsformen wie Homeoffice,
- veränderte Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
- ein verstärktes Umweltbewusstsein.
Eine gute Unternehmenskultur wird mehr und mehr als erfolgskritisch betrachtet. Vor allem im Hinblick auf eine möglichst positive Aussenwahrnehmen, eine starke Wettbewerbsfähigkeit – wohl nicht zuletzt im Kampf um die besten Talente –, und eine hohe Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Ganz zu schweigen von besseren Umsätzen und fetteren Renditen. Die meisten Befragten haben die Unternehmenskultur denn auch auf ihrem Radar. Gut zwei Drittel sagen, dass sie durch die Krise weiter an Bedeutung gewonnen hat. Immerhin noch 58 Prozent haben eine entsprechende Strategie definiert. Der Prozentsatz derjenigen Unternehmen, die dafür personelle Ressourcen einsetzten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch schulen, ist dagegen verschwindend klein.
Grosser Nachholbedarf bei Innovation, Kreativität und Risikobereitschaft
Das hängt wohl damit zusammen, dass die befragten KMU ihre Unternehmenskultur insgesamt als durchwegs positiv taxieren. Insbesondere in den – man könnte sagen typisch schweizerischen – Werten Kunden- und Leistungsorientierung, Effizienz, Agilität, Mitarbeiterorientierung, Verlässlichkeit, Beständigkeit / Resilienz und langfristige Ausrichtung gaben sie sich Bestnoten. Nachholbedarf sehen die Unternehmen primär bei der Innovationskraft, der Kreativität und der Risikobereitschaft.
Abbildung: Mittelstandstudie 2021, Seite 17
Das hat die Studienautoren zur ketzerischen Frage veranlasst: «(…), ob Schweizer KMU in Bezug auf Themen wie Digitalisierung, New Work, Diversität und Nachhaltigkeit die Voraussetzungen haben, flexibel, agil und zielgerichtet zu agieren.» Da kann es – gerade im Olympiajahr – nie schaden, die eine oder andere zusätzliche Trainingseinheit einzulegen.
Die StudieDie Unternehmensberatung Kearney Schweiz hat die Studie zusammen mit swiss export zum vierten Mal in Folge durchgeführt; dieses Jahr gemeinsam mit der Raiffeisen Gruppe und der Business Broker AG. Zwischen April und Mai 2021 haben 129 Schweizer KMU an der Umfrage teilgenommen. Tätig sind sie zu einem knappen Viertel im Maschinenbau, gefolgt von der Metallverarbeitung (11 %), den Dienstleistungen (8 %) sowie von Chemie und Pharma (7 %). Die restlichen 51 Prozent verteilen sich auf 33 verschiedene Branchen. Knapp drei Viertel (72 %) der Unternehmen beschäftigen weniger als 100 Mitarbeitende, 22 Prozent 101 bis 1000 und sechs Prozent mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 79 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren Mitglieder der Geschäftsleitung. Die Studie können Sie kostenfrei von der Website swiss-export.com herunterladen. |